Tippfehler an der Börse

Es kann durchaus vorkommen, dass ein Tippfehler an der Börse ein Chaos auslöst. Je nach Ordervolumen sind dies beachtliche Gelder und Schäden! Dazu ein Ereignis der Vorwoche, was ich hier näher analysiert habe.

Tippfehler an der Börse löste Crash aus

Ein Tippfehler an der Börse sorgte am Donnerstag den 06.05.2010 für den schnellsten Absturz des Dow Jones seit Bestehen. Damit kehrte enorme Nervosität an die internationalen Märkte zurück. Eine offizielle Untersuchung der SEC (U.S. Securities and Exchange Commission = Börsenaufsicht) und CFTC (U.S. Commodity Futures Trading Commission = Terminbörsenaufsicht) ist eingeleitet.

Gerüchten zufolge soll ein Händler der Citibank bei der Eingabe einer Verkaufsorder irrtümlich die Zahl der Aktien von Millionen auf Milliarden gesetzt haben – ein verheerender Tippfehler! Der Unterschied in der englischen Sprache zu Deutsch ist der erste Buchstabe: Billion für Milliarden versus Million für Millionen. In Folge dessen wurden anstatt 16 Millionen Aktien des Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble, 16 Milliarden Aktien in den Markt „geworfen“. In diesem Umfang wollten und konnten die Marktteilnehmer dies nicht kompensieren. Der Kurs von Procter & Gamble fiel rasant um 40 Prozent und erholte sich in Folge dieses Gerüchtes bis zum Handelsende auf „nur“ minus 2 Prozent. An dieser Stelle ein Chart der letzten drei Handelstage, in dem diese extreme Kursbewegung nach dem Tippfehler sehr gut deutlich wird.

Procter & Gamble Chart 06.05.2010

Die Auswirkungen vom Tippfehler an der Börse waren nicht zu verstecken. Procter & Gamble zog durch Verkettungen im Index den Dow Jones binnen 10 Minuten um 700 Punkte in die Tiefe. Erst in der Region von 10.000 Punkten fand sich bei einem Minus von 9,2 Prozent ein Boden. Prozentual entsprach dies dem größten Verlust seit dem schwarzen Freitag im Oktober 1987. Ebenso dynamisch verlief die Erholung und lies zum Handelsende ein Minus von „nur“ 3,2 Prozent zurück. Dazu ebenfalls ein Chart der letzten drei Handelstage.

Dow Jones Chart 05.06.2010

Die Citibank dementierte oben genannte Gerüchte zum Tippfehler an der Börse. In einem Pressebericht schloss die New Yorker Börse zudem technische Probleme oder gar eine Panne aus. Bis dieser Vorfall geklärt ist, bleibt ein Nachgeschmack und die Frage: „Können einzelne Tippfehler an der Börse auch in Zukunft ganze Märkte bewegen?“. Der elektronische und teilweise vollautomatische Handel wird hierbei als Risikofaktor wahrgenommen, der schwer zu kalkulieren ist. Kettenreaktionen zeigen die Verletzlichkeit der gesamten Börse. Benötigt dieses Segment daher eine stärkere Regulierung wie bereits einige Politiker in den USA fordern?

Fakt ist, dass ähnliche Vorfälle als bereits bekannt gelten. Tippfehler werden an der Börse auch „Fat Finger Orders“ genannt. Sie sorgten in den vergangen Jahren mehrfach für Kurskapriolen. Einige Beispiele dafür in folgendem Absatz.

 

Tippfehler an der Börse innerhalb des Jahrzehnts

Tippfehler an der Börse gab es beispielsweise in Deutschland am 20.11.2001. An diesem Morgen verlor der DAX-Future binnen weniger Sekunden 800 Punkte oder 16 Prozent an Kurswert. Der DAX als Index vollzog diese Bewegung nicht so stark nach und verlor knapp 200 Punkte. Grund dafür war der Tippfehler eines Händlers, der in seiner Ordermaske die Felder Limit und Stückzahl verwechselte. So wurden 5.300 DAX-Future-Kontrakte ohne Limit verkauft. Ein Kursrutsch von 800 Punkten war die Folge. Der Handel wurde von der Deutschen Terminbörse Eurex nicht ausgesetzt, jedoch zu einem großen Anteil rückabgewickelt. Involviert waren dabei 1.300 Orders mit einem Gesamtschaden von 30 Millionen Euro. Die spätere Bestrafung für den Tippfehler lautete: 500 Euro Geldbuße zu Lasten des Händlers.

Im selben Monat wurde ein weiterer Tippfehler in der Finanzbranche publik. In Japan begleitete die UBS Warburg die Aktiengesellschaft Dentsu Inc bei ihrem Börsengang. Am 30.11.2001 wollte ein Händler der Bank 16 Aktien mit Limit 610.000 Yen am Markt verkaufen. Er verwechselte bei dieser Transaktion die Eingabefelder Limit und Anzahl. Somit entsprach die Order 610.000 Aktien zu 16 Yen. Kurz nach der Eingabe bemerkte die Handelsüberwachung der UBS Warburg den Tippfehler und nahm die Order zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt kam es bereits zur Ausführung von 60.000 Aktien, was der Hälfte des Emissionsvolumens entsprach und am ersten Handelstag dieses Wertes für enorme Verunsicherung sorgte. Der daraus entstandene Schaden durch diesen Tippfehler an der Börse belief sich auf geschätzte 100 Millionen Euro.

Im dritten Beispiel führte eine fehlerhafte Ordereingabe sogar zu einer Handelsaussetzung an der Börse in Tokio. Ein Händler der Finanzgruppe Mizuho verwechselte am 06.12.2005 ebenfalls Limit und Preis an seinem Arbeitsplatz. Dabei stellte er 610.000 Aktien von J-Com mit Limit 1 zum Verkauf in das Orderbuch, anstatt 1 Aktie mit Limit 610.000 Yen am Markt zu platzieren. Für weitere Verwirrung sorgte die Tatsache, dass die Finanzgruppe Mizuho zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz dieser enormen Menge an Aktien war. Mehrere Käufer hatten somit Anteile erworben, welche real nicht existierten. Die Tokyo Stock Exchange reagierte umgehend mit der Aussetzung der Aktie vom Handel. Allen Käufern der nicht existierenden Aktien wurde ein Ausgleichsbetrag von 912.000 Yen pro Aktie gezahlt. Das Unternehmen wurde zum Kauf der Aktien verpflichtet und erlitt somit einen Gesamtschaden von 290 Millionen Euro – ein sehr teurer Tippfehler.

Nicht nur einzelnen Händlern scheinen solche Tippfehler zu unterlaufen, sondern auch die Spekulation mehrerer Akteure kann irrationale Ausmaße annehmen. Als Beispiel dafür ist die Kursexplosion der Aktie von Volkswagen im Oktober 2008 anzuführen. Innerhalb von wenigen Tagen verdoppelte sich der Kurs auf 1.000 Euro und machte das Unternehmen somit für einige Stunden zum wertvollsten der Welt. Grund dafür war die Ausübung von Kaufoptionen, deren Grundlage – die Aktie – am Markt erworben werden musste. Eine damit verbundene hohe Nachfrage, Short-Eindeckungen sowie der Kaufzwang von Indexfonds (Abbildung des Index) spiegelten sich letztlich in dem Kurs wieder. Mit einer fundamentalen Bewertung hatte dies nichts gemein.

Mein Fazit zu Tippfehlern

Tippfehler an der Börse sind menschliche Fehler und passieren in jedem Segment. Diese sollten durch Schutzmechanismen auf ein Minimum reduziert werden. Dabei reicht das Vier-Augen-Prinzip leider nicht aus. Verstärkend wirkt in solchen Situationen der steigende Einsatz von automatischen Handelssystemen an den Weltmärkten. Ein Computereinsatz sollte meiner Meinung nach den Handel kontrollieren und Abläufe schützen, anstatt sie zu verstärken und damit letztlich die Börse, den Handel und die Wirtschaft zu schädigen. Klare Richtlinien sind jetzt gefragt, damit solche Vorfälle in Folge von einem einzelnen Tippfehler seltene Anekdoten bleiben und nicht zu Dauererscheinungen mutieren.

Bernecker1977 – Andreas Mueller