Zehnter Jahrestag der Lehman-Pleite: Rückblicke

Heute jährt sich der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers. Genau 10 Jahre ist dies her und leitete damals eine Finanzkrise in den USA ein. Folgender Rückblick bringt dieses Thema zum Jahrestag in den Fokus. Verbunden mit der Frage: Was haben wir daraus gelernt und war dies eventuell vermeidbar?

 

Erinnerungen werden wach, bei Zeitzeugen und auch Tradern, die schon vor zehn Jahren am Kapitalmarkt aktiv waren. Wie beispielsweise von ORBP, welcher die entsprechenden Charts noch einmal in den Fokus stellte. Ebenfalls folgen zwei Zitate von Dirk Müller und der historische Abriss der Ereignisse aus dem Jahr 2008.

 

Ein kurzer Rückblick auf Lehman Brothers

Der Ursprung von Lehman Brothers hat seine Wurzeln in Deutschland. Die drei Brüder, welche die Bank in den USA im Jahr 1850 gründeten, stammen aus der Nähe von Würzburg und waren so genannte Migranten. Nach dem Handel mit Vieh und Baumwolle wurde von Ihnen 1850 die Banktätigkeit aufgenommen und nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg nach New York an die Wall Street verlagert. Eine zwischenzeitliche Übernahme und Eingliederung in andere Unternehmen durch American Express tat der Firmenausrichtung keinen Abbruch und führte zur ausschließlichen Fokussierung auf das Investmentbanking im Jahr 1994. Der fatale Fehler erfolgte erst im Jahr 2007, als für 22 Milliarden US-Dollar der zweitgrößte amerikanische Wohnungseigentümer übernommen wurde.

Es folgen Abschreibungen in Milliardenhöhe und Kapitalerhöhungen. Ein Faß ohne Boden. Bereits Anfang September 2008 wurde ein Verlust von 3,9 Milliarden Dollar für das dritte Quartal in Aussicht gestellt. Der Zwang zur Veräußerung von wichtigen Teilen, insbesondere des Investmentbankings, war nicht mehr aufzuhalten. Doch es fand sich in der Kürze der Zeit kein Käufer.

 

Die letzten Stunden sind sehr gut in diesem Film aufgearbeitet, der mit internationaler Besetzung nicht nur inhaltlich ansehnlich produziert wurde:

 

Der große Crash - DVD
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So beantragte am 15.09.2008 die Investmentgesellschaft offiziell Insolvenz nach dem Chapter11 (US-Insolvenzgesetz). Der eingesetzte Insolvenzverwalter kündigte fast die gesamte Belegschaft. Dazu existieren einige Zeitaufnahmen auf youtube:

 

https://www.youtube.com/watch?v=_Pk9DskBJ7I

 

Letztlich wickelten 170 verbleibende Mitarbeiter die Firma ab. Der Schaden wurde damals mit 50 bis 70 Milliarden US-Dollar eingeschätzt. Eine Summe, die heute als „finanzierbar“ erscheint, damals aber eine Finanzkrise auslöste. Das Unternehmen selbst hat die Immobilien- und Finanzkrise sicher nicht verursacht, die Nicht-Rettung damals hat sie ausgelöst und ins „Rollen“ gebracht.

Dazu sagte Dirk Müller im Interview bei n-tv zum Beispiel:

Viele hatten nicht damit gerechnet, dass die US-Regierung Lehman pleitegehen lassen würde. Als das aber passierte, war klar: Jetzt ist ein Dominostein gefallen, das wird eine Kettenreaktion mit gewaltigen Konsequenzen auslösen, die wir nicht abschätzen können.

 

Seitdem wird viel diskutiert, ob die Pleite vermeidbar und damit die Krise hätte abgefangen werden können. Auch dazu nimmt Dirk Müller Stellung:

Es ging am Ende wohl um sechs Milliarden Dollar. Im Vergleich dazu, was die Krise danach kostete, ist das eine lächerlich kleine Summe. Man hätte schon viel früher kleinere Banken pleitegehen und die Reinigungskräfte des Marktes wirken lassen müssen, um nicht erst mit einer Hausnummer wie Lehman ein Exempel zu statuieren. Da spielte sehr viel Politik mit hinein.

 

Eine globale Krise setzte sich in Gang, die heute in „Die Zeit“ noch einmal aufgearbeitet wurde. Als Dokumentation wurde bereits gestern auf ZDFinfo eine sehr spannende Reportage ausgestrahlt. Sie finden diese in der Mediathek von ZDF weiterhin. Doch was blieb am Ende von der Gesellschaft übrig?

 

Das blieb von Lehman Brothers übrig

Infolge der Insolvenz wurden einzelne Teile aus der Gesellschaft gelöst und veräußert. Der Gesamtschaden belief sich am Ende der Abwicklung auf 200 Milliarden US-Dollar. Diese Teile existierten zumindest in anderen Gesellschaften weiter:

  • Lehman Brothers North America wurde an Barclays Capital verkauft
  • Lehman Brothers Hong Kong gehört heute zu KPMG China
  • Lehman Brothers Asia Pacific ist der japanischen Großbank Nomura zuzuschreiben
  • Lehman Brothers International Europe wird von PricewaterhouseCoopers gemanaged
  • Lehman Brothers Holdings Inc. ist und bleibt als Marke insolvent und ist nicht mehr vorhanden

Die deutsche Tochtergesellschaft Lehman Brothers Bankhaus AG wurde übrigens am gleichen Tag, dem 15.09.2008, von der BaFin mit einem Veräußerungs- und Zahlungsverbot belegt und musste damit ihre Geschäftstätigkeit einstellen.

Rund 50.000 Deutsche Anleger waren über Nacht betroffen, indirekt über Zertifikate. Die Verluste betrugen rund eine Milliarde US-Dollar.

 

Versuch eines Fazits

Zehn Jahre nach der Insolvenz ist es mit Sicherheit einfacher, die Umstände zu beurteilen. Das Wissen um die entsprechenden Produkte, Auswirkungen und Kettenreaktionen war in der Situation vom September 2008 nicht hinreichend vorhanden. Damit waren Fehlentscheidungen Tür und Tor geöffnet. Doch soweit hätte es gar nicht erst kommen dürfen. Entsprechende Produkte und Derivate in solchem Ausmaß, wie sie damals am CDS-Markt gehandelt wurden, zogen zwangsläufig ein Platzen dieser Blase nach sich. Es muss sich immer wieder die Frage gestellt werden, ob eine neue Krise dieser Art vor der Tür steht. Darauf geht auch t-online aktuell ein.

Dies können und sollten wir zum Anlass nehmen, einmal darüber nachzudenken, um zukünftig nicht erneut in eine solche Spirale zu geraten.

 

Ein paar nachdenkliche Worte zum Wochenende – Ihr Andreas Mueller